Bruderhahn oder Zweinutzungshuhn?
In den letzten Jahren gab es eine hitzige Debatte über die Frage, wie in der Geflügelhaltung bisher mit männlichen Küken verfahren wurde. Wenn wir unser Frühstücksei genießen oder Eier für einen Kuchen aufschlagen, denken wir selten darüber nach, wie das Ei entstanden ist – und welche Praktiken mit dessen Erzeugung einhergehen. Traditionell wurden in der Eierproduktion nämlich männliche Küken, die keine Eier legen können, kurz nach dem Schlüpfen getötet. Dieses Vorgehen wurde 2022 in Deutschland verboten. Seither gibt es drei alternative Ansätze, die wir Dir in diesem Blogbeitrag vorstellen.
Das männliche Küken: Das Dilemma der Geflügelbranche
In der Geflügelbranche gibt es eine Vielzahl von Hühnerrassen, die jeweils für spezifische Zwecke gezüchtet werden. Einige Rassen, die sogenannten „Legehennenrassen“, sind auf hohe Eierproduktion spezialisiert. Das Dilemma entsteht, weil in diesen spezialisierten Legehennenrassen männliche Küken keine wirtschaftliche Rolle spielen. Sie legen keine Eier und sind auch nicht für die Fleischproduktion geeignet, da sie langsamer wachsen und weniger Fleisch ansetzen als die für die Fleischproduktion gezüchteten Rassen. Vor dem Verbot des sogenannten „Kükentötens“ wurden männliche Küken nach dem Schlüpfen üblicherweise als Tierfutter (zum Beispiel in Zoos) genutzt, wohingegen die weiblichen Küken aufgezogen und schließlich in Legehennenbetriebe überführt wurden. Seit dem Verbot des Kükentötens gibt es drei Maßnahmen, die die vorherige Praxis ersetzen: die Geschlechtsbestimmung im Ei, das Bruderhahn-Konzept und das Zweinutzungshuhn.
Geschlechtsbestimmung im Ei
Eine aus den Niederlanden stammende Innovation ist die Geschlechtsbestimmung im Ei, auch bekannt als „In-Ovo-Selektion“ (Selektion im Ei). Dieses Verfahren ermöglicht es, das Geschlecht eines Kükens bereits im Ei zu bestimmen, lange bevor es schlüpft. Die In-Ovo-Selektion wird in der Regel um den achten Bruttag herum durchgeführt. Durch eine kleine Öffnung im Ei werden winzige Proben entnommen, um das Geschlecht des Embryos zu bestimmen. Basierend auf dem Ergebnis werden die Eier mit männlichen Embryonen aussortiert und nicht weiter bebrütet. Dieser Ansatz verhindert das Schlüpfen des Kükens. Jedoch dürfen bebrütete Eier nicht mehr als Lebensmittel verkauft werden, sodass diese für Tierfutter verwendet werden.
Das Bruderhahn-Konzept
Neben der In-Ovo-Selektion fördert die Bundesregierung Konzepte und Maßnahmen, die auch diese Selektion überflüssig machen soll. Eine davon ist das Konzept des Bruderhahns. Hier halten landwirtschaftliche Betriebe weiterhin Legehennenrassen für die Eierproduktion und parallel dazu die männlichen Tiere, die Hähne – also die „Brüder“ – separat als Masthühner. Dies erfordert eine Veränderung der Betriebsstruktur, denn die Hähne brauchen zum einen Platz, der in klassischen Legebetrieben so nicht vorgesehen ist. Zum anderen benötigen sie für ihr Wachstum spezielles Futter und wachsen dennoch deutlich langsamer als Hühnerrassen, die für die Mast gezüchtet werden. Zudem verkauft sich das Fleisch von Brüderhähnen oft schlechter, denn es ist teurer und hat weniger Gewicht als das eines Masthuhns. Betriebe mit Brüderhähnen heben deshalb häufig den Preis für Eier an, um damit die Mehrkosten für die Bruderhahnaufzucht zu finanzieren.
Das Zweinutzungshuhn
Eine weitere Alternative ist das sogenannte „Zweinutzungshuhn“. Im Gegensatz zu den spezialisierten Rassen, die entweder für die Eierproduktion oder die Fleischerzeugung gezüchtet werden, zielen Zweinutzungshühner darauf ab, beide Aspekte zu vereinen: Die Hennen dieser Rassen legen Eier, während die Hähne für die Fleischproduktion geeignet sind.
Verschiedene Rassen werden für diese Art der Zucht verwendet. Beispiele sind Kreuzungen aus Legerassen wie „Bresse Gauloise“ und Fleischrassen wie „White Rock“. Dennoch bringen Zweinutzungsrassen ökonomische Nachteile mit sich: Die Hennen legen im Vergleich zu Legerassen weniger und kleinere Eier. Ein weiterer Nachteil ist die längere Mastzeit der Zweinutzungshähne. Sie benötigen etwa die doppelte Zeit im Vergleich zu konventionellen Masthybriden, um ein Schlachtgewicht von zwei Kilogramm zu erreichen. Ihre Futterverwertung ist ebenfalls weniger effizient, was zu höheren Futterkosten führt. Dies macht die Zucht dieser Hühner für Landwirtinnen und Landwirte weniger rentabel.
Vergleich: In-Ovo-Selektion, Bruderhahn und Zweinutzungshühner
Jeder der Ansätze bringt seine eigenen Vor- und Nachteile mit sich. Insgesamt wird die In-Ovo-Selektion aufgrund ihrer Praktikabilität und Effizienz am häufigsten praktiziert. Sie ermöglicht es, große Mengen von Eiern schnell und effizient auf das Geschlecht des Embryos zu überprüfen und damit das Schlüpfen männlicher Küken zu verhindern. Nachteilig ist jedoch, das die bebrüteten Eier, wenn auch als Tierfutter, ein „Abfallprodukt“ bleiben. Das Bruderhahn-Konzept ermöglicht eine Aufzucht der männlichen Küken von Masthühnern und wird oft im Rahmen von Bio-Siegeln umgesetzt. Ein Nachteil dieses Konzepts sind die zusätzlichen Kosten für die Aufzucht der Bruderhähne, die oftmals durch höhere Preise für die Eier an die Verbraucher weitergegeben werden müssen. Zweinutzungshühner bieten wiederum den Vorteil, sowohl für die Eier- als auch für die Fleischproduktion genutzt werden zu können. Allerdings sind sie in der Leistung geringer als spezialisierte Rassen, was wirtschaftliche Herausforderungen für die Landwirtinnen und Landwirte mit sich bringt.
Was Du als Kunde tun kannst
Die Erzeugung von Eiern und Fleisch von Zweinutzungsrassen oder aus der Bruderhahnzucht ist mit Mehrkosten verbunden – auch für die Landwirtinnen und Landwirte. Deshalb wird das Fleisch häufig als Premium-Fleisch verkauft oder zu besonderen Produkten, wie z.B. Salami, verarbeitet. Mit Deiner Wahl für bestimmte Produkte im Lebensmitteleinzelhandel kannst du Märkte beeinflussen und helfen, die Aufzucht von Brüderhähnen und Zweinutzungshühnern für landwirtschaftliche Betriebe rentabler zu machen.