„Wahre Preise“ von Lebensmitteln
Was sind die „wahren Preise“ und die „wahren Kosten“ von Lebensmitteln? Wie hoch müssten die Preise für Lebensmittel sein, damit sie als „fair“ gelten können? Die Frage danach, welche Preise für Wirtschaftsgüter aller Art betriebs- und volkswirtschaftlich optimal, sozial wünschenswert oder umweltpolitisch nachhaltig sind, beschäftigt Medien, Politik und Gesellschaft in regelmäßigen Abständen.
In diesem Blogbeitrag zeigen wir Dir, welche Kosten in die Preisgestaltung von Lebensmitteln miteinbezogen werden und welche nicht. Erfahre, warum es so komplex ist, die Preise von Lebensmitteln zu berechnen und welche Ansätze es gibt, Lebensmittelpreise gleichermaßen „fair“ für Bauernfamilien, Umwelt, Tier und VerbraucherInnen zu gestalten.
Warum beschäftigen wir uns mit den versteckten Kosten von Lebensmitteln?
Im Jahr 2017 brachte der britische Sustainable Food Trust – eine gemeinnützige Initiative in Großbritannien – einen Bericht mit dem Titel „The Hidden Cost of UK Food“ heraus. Die Kernbotschaft des Berichts lautete: Hinter jedem von den britischen Konsumenten für Lebensmittel ausgegebenen Pfund-Sterling verbergen sich nicht direkt sichtbare Kosten, gesundheitliche und ökologische Schäden. Die Experten, die an dem Bericht mitgewirkt haben, schätzen diese Kosten als ebenso hoch ein, wie den aktuellen Marktpreis – danach kommt auf jedes Pfund Marktpreis ein weiteres Pfund „versteckter“ Kosten an.
Welche Kosten werden aktuell in der Preisgestaltung berücksichtigt?
Im Wesentlichen werden direkte Kosten berücksichtigt, die in der Herstellung, Verarbeitung, Verpackung und Distribution anfallen. Dazu gehören Materialkosten, Löhne und Gehälter der Mitarbeitenden, Kosten für Energie und Wasser, Transportkosten sowie Gebühren und Steuern. Die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung sowie Marketing und Vertrieb fließen ebenso in die Endpreise ein, wie die Margen von Groß- und Einzelhändlern. Diese schlagen ihre eigenen Gewinnmargen auf die Preise auf, um ihre Betriebskosten zu decken und notwendige Gewinne zu erzielen.
Darüber hinaus nehmen externe Faktoren wie Angebot und Nachfrage, saisonale Schwankungen oder geopolitische Ereignisse Einfluss auf die Preisbildung. Große Lebensmittelkonzerne und Einzelhändler haben durch ihre Marktmacht erheblichen Einfluss auf die Preisgestaltung, indem sie Mengenrabatte aushandeln oder erzwingen. Auch politische Entscheidungen, etwa Subventionen für bestimmte Agrarprodukte oder Importzölle, können die Preise beeinflussen.
Was sind „versteckte Kosten“ von Lebensmitteln?
„Versteckte Kosten“ von Lebensmitteln sind solche, die mit der Produktion und dem Konsum von Lebensmitteln zusammenhängen, die üblicherweise aber nicht in Preiskalkulationen einbezogen werden. Dies sind vor allem Umweltkosten (für gemeinschaftliche Güter wie Wasser, Luft, Boden und andere „Umweltleistungen“) sowie soziale Kosten (wie Kosten für das Gesundheitssystem, Ernährungssicherheit und -gerechtigkeit, Arbeitsbedingungen derjenigen, die mit Lebensmitteln arbeiten etc.). Die Komplexität der versteckten Kosten liegt darin, dass sie weitreichend, miteinander verwoben, schwer zu beziffern und meist nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind.
Indirekt bezahlte Kosten: Ein Teil der versteckten Kosten in der Lebensmittelproduktion wird indirekt bereits von der Gesellschaft getragen. Zum Beispiel zahlen wir als Steuerzahler für Wasserreinigung sowie für die Müllentsorgung, auch von Lebensmittelverpackungen. Hierbei wird jedoch nur der Müll einberechnet, der ordnungsgemäß entsorgt wird. Die durch nicht ordnungsgemäße Entsorgung von Müll in der freien Natur entstehenden Kosten werden nicht über Steuern und Gebühren abgedeckt.
Nicht berücksichtigte Kosten: Zusätzlich gibt es Kosten, die derzeit nicht erfasst oder in Betracht gezogen werden, obwohl sie direkt oder indirekt durch die Lebensmittelproduktion oder ihren Konsum verursacht werden. Hierzu zählen insbesondere die Kosten für Umweltdienstleistungen, die Ökosysteme bereitstellen und für unser Überleben essenziell sind. Ein Beispiel dafür ist die Bestäubung von Pflanzen durch Insekten, die unerlässlich für die Produktion vieler Lebensmittel ist.
Einer der Gründe, warum diese Kosten oft nicht erfasst werden, liegt in der Schwierigkeit ihrer Einordnung. Wie bewertet man beispielsweise den Wert eines intakten Ökosystems oder den Nutzen sauberer Luft? Hinzu kommt, dass viele dieser Kosten erst in Zukunft sichtbar werden, sodass sie in aktuellen Kalkulationen oft schwer zu fassen sind.
Auch Leistungen, die Landwirtinnen und Landwirte tagtäglich auf dem Hof erbringen, die in direktem Zusammenhang mit der Nahrungsmittelerzeugung stehen und nicht direkt in den Preis mit einfließen bzw. nicht durch den Erzeugerpreis abgedeckt werden, gelten als nicht berücksichtige Kosten.
Warum könnte die Bepreisung versteckter Kosten sinnvoll sein?
Die Befürworter der Integration versteckter, sogenannter „externer Kosten“ in die Preiskalkulation von Lebensmitteln erhoffen sich dadurch Impulse für die Neuausrichtung von Produktionsverfahren und Konsumgewohnheiten. Das übergeordnete Ziel lautet: mehr ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit.
Wie können versteckte Kosten realistisch in Kalkulationen einbezogen werden?
In Deutschland und international wächst die Zahl von Initiativen und Ansätzen, die darauf abzielen, versteckte Kosten sichtbar zu machen und in wirtschaftliche Kalkulationen einzubeziehen. Dies reicht von zertifizierten Gütesiegeln über umweltfreundliche Verpackungen bis hin zu innovativen Geschäftsmodellen, die Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellen. Dabei ist klar: Die Erfassung und Integration der „wahren Kosten“ von Produkten und Dienstleistungen in den verschiedenen Wirtschaftskreisläufen bleibt eine große Aufgabe und wird unsere Gesellschaft noch viele Jahre beschäftigen.