Vertikale Landwirtschaft
Nach Hochrechnungen der Vereinten Nationen wird die Weltbevölkerung bis 2050 von heute 8 auf 9,7 Milliarden Menschen anwachsen. Dadurch wird der Bedarf an Nahrungsmitteln erheblich steigen. Um diesem gerecht zu werden, braucht es nachhaltige und klimaschützende Methoden der Lebensmittelerzeugung. Eine relativ neue Methode ist die vertikale Landwirtschaft - ein Konzept, das die Landwirtschaft „in die Höhe“verlagert. Wie zukunftsträchtig ist „Vertical Farming“ und wie stark ist diese Form bereits verbreitet? Was sind Vor- und Nachteile von solchen „Anbau-Hochhäusern“? Antworten auf diese Fragen geben wir im folgenden Beitrag.
Was ist vertikale Landwirtschaft?
Die vertikale Landwirtschaft ist ein Ansatz, bei dem Pflanzen mehrstöckig, d.h. übereinander angebaut werden. Diese Methode kombiniert verschiedene moderne Technologien, um eine kontrollierte Umgebung für den Pflanzenbau zu schaffen. Zum Teil werden die Pflanzen komplett in Innenräumen ohne Sonnenlicht angebaut – diese Art des Anbaus nennt man „Indoor Farming“.
Was sind die Vorteile der vertikalen Landwirtschaft?
Vertikale Landwirtschaft bietet einige Vorteile:
- Platzersparnis: Der traditionelle Ackerbau, also die horizontale Landwirtschaft, benötigt vergleichsweise viel Fläche und konkurriert mit anderen Nutzungszwecken, zum Beispiel dem Bedarf nach Flächen für Wohnungsbau, Infrastrukturprojekte oder Naturschutzgebiete. Vertikale Farmen ermöglichen es, auf einer kleineren Fläche zu produzieren, da sie mehrere Etagen für den Anbau nutzen. Dies reduziert den Bedarf an Landflächen und könnte helfen, den fortschreitenden Flächenverlust zumindest teilweise zu kompensieren.
- Reduzierung von Transportemissionen: Vertical Farming ermöglicht den Anbau von Lebensmitteln in städtischen Gebieten, was lange Transportwegen verhindert. CO2-Emissionen, die mit dem Transport von Lebensmitteln verbunden sind, werden vermieden.
- Wassereinsparung: Vertikale Farmen nutzen geschlossene Systeme, die den Wasserverbrauch im Vergleich zur herkömmlichen Landwirtschaft drastisch reduzieren. Durch den Einsatz von Hydrokultur (Anbau von Pflanzen in wassergefüllten Behältnissen) und Aeroponik (Bewässerung der Pflanzen durch Sprühnebel) kann der Wasserverbrauch im Extremfall bis zu 95% verringert werden.
- Ganzjährige Produktion: Insbesondere Indoor Farming ist unabhängig von Jahreszeiten und Wetterbedingungen und kann das ganze Jahr über Lebensmittel produzieren. Dies kann dazu beitragen, saisonale Schwankungen der Lebensmittelpreise auszugleichen.
- Verringerung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln: Die kontrollierte Umgebung in vertikalen Farmen reduziert das Risiko von Schädlingsbefall und Krankheiten. Daher kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in diesen Systemen minimiert werden.
Was sind die Nachteile des vertikalen Anbaus?
Der vertikale Anbau bringt einige Herausforderungen mit sich und wird den traditionellen Ackerbau in der Horizontalen nie vollständig ersetzen können.
- Begrenzte Auswahl an Kulturen: Der vertikale Anbau von Pflanzen eignet sich am besten für kleinere, schnell wachsende Kulturen wie Blattgemüse, Kräuter, Tomaten oder Gurken. Größere und langsam wachsende Pflanzen wie Getreide oder Obstbäume sind in vertikalen Farmen derzeit nicht oder nur schwerlich anzubauen.
- Artenvielfalt: In vertikalen Farmen werden Pflanzen weitgehend isoliert von der natürlichen Umwelt angebaut. Dies kann Auswirkungen auf die Artenvielfalt haben, da diese Pflanzenfür bestäubende Insekten nicht als Nahrungsquelle zur Verfügung stehen.
- Hohe Anfangsinvestitionen: Der Aufbau einer vertikalen Farm erfordert hohe Anfangsinvestitionen, um die notwendige Infrastruktur, Technologie und Ausrüstung bereitzustellen.
- Energieverbrauch: Vertical Farming ist in der Regel auf künstliche Beleuchtung, Bewässerung und Klimatisierung angewiesen, um optimale Wachstumsbedingungen für Pflanzen zu schaffen. Dies führt zu einem hohen Energieverbrauch. Daher ist es wichtig, bei der Konzeption einer vertikalen Farm erneuerbare Energiequellen und energieeffiziente Technologien zu integrieren.
Was bedeutet vertikale Landwirtschaft für klassische Landwirtschaftsbetriebe?
Die klassische horizontale Landwirtschaft wird weltweit auf viele Jahre die dominierende Form der Landwirtschaft bleiben. Landwirtinnen und Landwirte können aber bereits heute vertikalen Anbau in bestehende konventionelle Ansätze integrieren. Zum einen können sie dadurch ihr Angebot diversifizieren und somit neue Einnahmen generieren, die zudem unabhängig von Saison und Wetterbedingungen sind. Vertikale Landwirtschaft bedeutet auch eine Anpassung der Betriebsstrukturen an den Klimawandel. Die betriebswirtschaftliche Seite bleibt jedoch eine Herausforderung.
Wo findet vertikaler Anbau bereits statt?
Die größte vertikale Indoor Farm Europas befindet sich in Dänemark. Dort baut das Unternehmen Nordic Harvest auf 7.000 Quadratmetern und 14 Etagen 20 verschiedene Sorten Blattgemüse, Kräuter und Salat an. Pro Tag erntet das Unternehmen drei Tonnen Gemüse – an 365 Tagen des Jahres. Den für den Betrieb notwendigen Strom erzeugt das Unternehmen über eine Windkraftanlage und produziert damit klimaneutral. Die weltweit größte vertikale Farm eröffnete 2022 in Dubai, wo der Gemüseanbau im Außenbereich aufgrund der klimatischen Bedingungen herausfordernd ist. Auch hier steht Blattgemüse derzeit im Fokus des Anbaus, doch will man dort demnächst auch Erdbeeren und Obst erzeugen. Vertical Farming muss nicht unbedingt groß sein: In einigen deutschen Supermärkten gibt es bereits „kleine vertikale Farmen“, die täglich frische Kräuter produzieren.
Zukunftsprognose – wie wird sich der vertikale Anbau entwickeln?
Die vertikale Landwirtschaft gilt nach Einschätzung mancher Beobachter als eine vielversprechende Methode der nachhaltigen Lebensmittelproduktion, besetzt bisher aber eher einen Nischenmarkt. Sie wird die klassische, erdbasierte Landwirtschaft in der Horizontalen nie vollständig ersetzen können, in den kommenden Jahrzehnten aber in bestimmten Bereichen ausgebaut werden. Erkennbar ist die Verbreitung der vertikalen Landwirtschaft in städtischen Gebieten. Urban Farming ist nah an der städtischen Verbraucherschaft, verbessert deren Versorgung mit frischem Gemüse und verringert Transportemissionen. Auch für Gebiete mit extremen Wetterbedingungen, wie Wüsten oder Polargebiete, bieten vertikale Farmen Potenzial, denn Lebensmittel können dort in geschützten Umgebungen angebaut werden und Versorgungslücken schließen. Und es gibt auch echte Visionen so denken Zukunftsforscher darüber nach, vertical Farming in Raumfähren zu betreiben.